29.12.2020, 09:10 Uhr

Gewährung von Resturlaub bei fristloser Kündigung möglich

1. Im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Dazu muss er den Arbeitnehmer unmissverständlich und endgültig zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht befreien und das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs zahlen oder dessen Zahlung vorbehaltlos zusagen.
2. Ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ungewiss, weil der Arbeitnehmer gegen die fristlose Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat, steht dies der Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitnehmer das Bestehen seiner Arbeitspflicht kennt, sondern dass er die Gewissheit hat, während eines bestimmten Zeitraums nicht zur Arbeit herangezogen zu werden, und sich deshalb nicht zur Erbringung einer Arbeitsleistung bereithalten muss.
3. Den Urlaub störende Ereignisse fallen grundsätzlich in die Risikosphäre des Arbeitnehmers. Dies gilt auch dann, wenn die Möglichkeit selbstbestimmter Nutzung der Freizeit während des Urlaubs durch sozialversicherungsrechtliche Handlungsobliegenheiten eingeschränkt wird, die für den Bezug von Arbeitslosengeld erforderlich sind.

(Leitsätze BAG v. 25.08.2020 - 9 AZR 612/19 -).

Auswirkungen für die Praxis:

Wenn im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung noch Resturlaubsansprüche bestehen oder auch mögliche künftige Ansprüche, kann der Arbeitgeber den (Rest-)Urlaub gewähren für den Fall, dass die fristlose Kündigung wider Erwarten das Arbeitsverhältnis nicht beenden sollte. Er muss dann konkret den Urlaubszeitraum zuweisen und für diese Zeit auch die Zahlung des Entgelts vorbehaltlos zusagen oder das Entgelt auszahlen.
Wenn die fristlose Kündigung wirksam ist, ist er damit in Vorlage getreten, müsste aber ohnehin damit rechnen, dass Urlaubsabgeltung verlangt wird. Damit entstünde keine Mehrbelastung.
Ist die fristlose Kündigung dagegen unwirksam, hat er bereits den Annahmeverzug durch die Urlaubszeit gemindert. Der Urlaub wäre dann für diese Zeit auch erfüllt. Das ist, wenn auch manchmal nur ein geringer Urlaubsanspruch bleibt oder erfüllbar ist, in jedem Fall eine Entlastung.

Autor

Dr. Wienhold Schulte

Arbeitsrecht in der Insolvenz, Aufsichtsratsrecht (Aufsichtsräte und Beiräte)

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