09.12.2022, 10:20 Uhr

Rentennähe kann bei Sozialauswahl berücksichtigt werden

"Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers anhand der in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO genannten Kriterien zu erfolgen. Bei der Gewichtung des Lebensalters kann hierbei zulasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass er bereits eine (vorgezogene) Rente wegen Altersabschlags frei bezieht. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer rentennaher ist, weil er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von 2 Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen kann. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen darf insoweit nicht berücksichtigt werden."

(BAG, Urt. v. 08.12.2022 - 6 AZR 32/22 - PM 46/22)

Das Bundesarbeitsgericht stellt mit dieser Entscheidung klar, dass zwar die in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG genannten Kriterien für die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung (Lebensalter, Beschäftigungsdauer, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) zu berücksichtigen sind, das Kriterium des Lebensalters für betroffene Arbeitnehmer aber ambivalent sein kann, nämlich dann, wenn sie von einer betriebsbedingten Kündigung im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern deshalb weniger schwer betroffen sind, weil sie bereits eine Altersrente beziehen oder in Kürze einen entsprechenden Anspruch erwerben werden. Als rentennah sieht das Bundesarbeitsgericht dabei offenbar auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an, die innerhalb eines Zeitraums von 2 Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung eine Rente beziehen könnten. Ausgenommen wird lediglich die Rente für schwerbehinderte Menschen.

Autor

Dr. Stephan Karlsfeld

Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Notar

Alle Artikel anzeigen