22.06.2023, 16:45 Uhr

Neues Hinweisgeberschutzgesetz tritt in Kraft

Ab dem 02.07.2023 gilt das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“.

Ziel des Gesetzes ist der Schutz hinweisgebender Personen sowie der Schutz solcher Personen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind oder von einer solchen betroffen sind.

Das Gesetz gilt für die Meldung von Verstößen, die entweder strafbar sind (z.B. StGB) oder bußgeldbewehrt, soweit sie dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz von Rechten von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen. Darüber hinaus sind sonstige Verstöße gegen Rechtsvorschriften im öffentlichen Interesse erfasst, die wichtige Schutzgüter des öffentlichen Lebens betreffen (z.B. Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Sicherheit im Straßen-, Eisenbahn- und Luftverkehr, Produktsicherheit, Umweltschutz, Strahlenschutz etc.).

Geschützt werden durch das Gesetz hinweisgebende Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Neben Arbeitnehmern sind das auch Beamte, Selbstständige, Anteilseigner, Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans (Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsratsmitglieder) sowie Praktikanten, Mitarbeiter von Auftragnehmern, Subunternehmern und Lieferanten.

Hinweisgebenden Personen steht ein Wahlrecht zu zwischen interner und externer Meldung. Nach dem Gesetz sind interne und externe Meldung also gleichrangig. Nur ausnahmsweise ist die hinweisgebende Person befugt, Informationen über Verstöße außerhalb der internen oder externen Meldestellen Dritten gegenüber (z.B. Medien, soziale Netzwerke) offenzulegen. Das gilt beispielsweise dann, wenn zunächst eine externe Meldung erstattet worden ist, hierauf aber fristgemäße Folgemaßnahmen unterblieben sind oder keine Rückmeldung über solche Folgemaßnahmen erteilt wurde. Darüber hinaus ist die Offenlegung möglich, wenn hinreichender Grund zu der Annahme besteht, dass der Verstoß wegen eines notfalls, der Gefahr irreversible Schäden oder vergleichbare Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, fällt die hinweisgebende Person nicht unter den Schutzbereich des Gesetzes.

Für Arbeitgeber (natürliche oder juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften), die in der Regel mindestens 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, besteht künftig die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen, an die sich Beschäftigte und/oder Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer wenden können, um Informationen über Verstöße zu melden. Die Meldestellen sind vom Arbeitgeber so zu organisieren, dass sie Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Eine Verpflichtung, anonyme Meldungen zu ermöglichen, besteht nicht.

Die internen Meldestellen können einer bei der jeweiligen Organisationseinheit (Abteilung oder Betrieb) beschäftigten Personen oder einer aus mehreren beschäftigten Personen bestehenden Arbeitseinheit oder einem Dritten (Dienstleister) übertragen werden. Die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen ist für private Arbeitgeber mit i. d. R. mindestens 250 Beschäftigten sofort und mit i. d. R. 50- 249 Beschäftigten spätestens bis zum 17.12.2023 umzusetzen.

Bei der Einrichtung interner Meldestellen dürfte dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Ausgestaltung der Meldestellen zustehen (bei Arbeitgebern mit weniger als in der Regel 50 Beschäftigten auch hinsichtlich der Einrichtung selbst).

Aufgaben der internen Meldestelle sind die folgenden:

  • Eingangsbestätigung an die hinweisgebende Person spätestens nach 7 Tagen
  • Prüfung, ob gemeldeter Verstoß dem sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes unterfällt
  • Kontakt halten mit der hinweisgebenden Person
  • Prüfung der Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung
  • gegebenenfalls Ersuchen um weitere Informationen
  • Ergreifen angemessener Maßnahmen nach § 18.

Solche Folgemaßnahmen können sein:

  • Interne Untersuchungen bei dem jeweiligen Arbeitgeber oder in der jeweiligen Organisationseinheit des Arbeitgebers
  • Verweis der hinweisgebenden Person an andere zuständige Stellen
  • Einstellung des Verfahrens aus Mangel an Beweisen oder anderen Gründen
  • Abgabe des Verfahrens zwecks weiterer Untersuchungen an eine für interne Ermittlungen zuständige Organisationseinheit des Arbeitgebers oder eine zuständige Behörde.

Der Schutz der hinweisgebenden Person besteht u.a. darin, dass sie für die Beschaffung oder den Zugriff auf Informationen nicht verantwortlich gemacht werden kann, sofern die Beschaffung nicht als solche eine eigenständige Straftat darstellt. Auch für die Offenlegung dieser Informationen gegenüber der (internen oder externen) Meldestelle kann die hinweisgebende Person nicht verantwortlich gemacht werden. Ausdrücklich verboten sind gegen die hinweisgebende Person gerichtete Repressalien sowie deren Androhung oder den Versuch. Die hinweisgebende Person darf im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit auch nicht wegen eines Hinweises benachteiligt werden. Hier regelt das Gesetz darüber hinaus eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Beschäftigten: Macht dieser geltend, dass er in Form einer Meldung einen beruflichen Nachteil hat, hat die benachteiligende Person (in der Regel der Arbeitgeber) zu beweisen, dass die Benachteiligung gerechtfertigt ist oder nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruht.

Darüber hinaus haben die Meldestellen die Identität der hinweisgebenden Person, der Personen, die Gegenstand der Meldung sind und der sonstigen in der Meldung genannten Personen vertraulich zu behandeln. Die Identität der genannten Personen darf nur denjenigen bekannt gemacht werden, die für die Entgegennahme von Meldungen und für Folgemaßnahmen zuständig sind. Das Vertraulichkeitsgebot gilt nicht für Personen, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Information über Verstöße melden. Weiter ist es zulässig, Informationen über die Identität Hinweis geben der Personen auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden in Strafverfahren, aufgrund einer Anordnung in einem einer Meldung nachfolgenden Verwaltungsverfahren oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung weiterzugeben. Die Weitergabe von Informationen über die hinweisgebende Person ist ferner dann gestattet, wenn diese für Folgemaßnahmen erforderlich ist oder die hinweisgebende Person zuvor in die Weitergabe eingewilligt hat.

Das Gesetz regelt auch Schadensersatzansprüche der hinweisgebenden Person aus verbotenen Repressalien, allerdings auch eine Verpflichtung der hinweisgebenden Person, Schaden zu ersetzen, der aus einer vorsätzlich oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen entstanden ist.

Der Verstoß gegen die Verpflichtungen aus dem Gesetz ist bußgeldbewehrt, insbesondere auch das Versäumnis verpflichteter Arbeitgeber, die interne Meldestelle einzurichten.

Autor

Dr. Stephan Karlsfeld

Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Notar

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