17.06.2020, 18:40 Uhr

Zurückweisung der ohne Nachweis der Vollmacht abgegebenen Kündigungserklärung einer GbR

§ 174 BGB findet analoge Anwendung auf einseitige Rechtsgeschäfte, die ein abweichend von der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB allein vertretungsberechtigter Gesellschafter im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vornimmt."

BAG, Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 147/19, NJW 2020, 1456 ff.

Mit diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine Kündigung vom Gekündigten analog § 174 BGB zurückgewiesen werden kann, wenn sie durch einen alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgesprochen wird.

Unmittelbar gilt nach seinem Wortlaut § 174 BGB lediglich für das Handeln eines Vertreters aufgrund einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht. Auf gesetzliche oder ihnen gleichzustellende Vertreter ist § 174 BGB nicht analog anzuwenden. Auch im Fall der organschaftlichen Vertretung besteht dieses Recht zur Zurückweisung grundsätzlich nicht. Denn diese Vertretungsmacht muss grundsätzlich in einem öffentlichen Register eingetragen sein, so zum Beispiel im Falle der OHG, der KG, der AG sowie der GmbH.

§ 174 BGB sei jedoch dann analog anzuwenden, wenn eine organschaftliche Gesamtvertretungsmacht kraft Ermächtigung eines einzelnen Organmitglieds durch die zusammen mit ihm gesamtvertretungsbefugten Organmitglieder zu einer organschaftlichen Alleinvertretungsmacht erweitert wird. Beim Erklärungsgegner bestehe in solchen Fällen Unsicherheit über die vom handelnden Gesellschafter in Anspruch genommene Alleinvertretungsmacht, da bei einer GbR die Vertretungsverhältnisse keinem öffentlichen Register entnommen werden können, sondern sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, der öffentlich nicht einsehbar ist.

Die Übertragung der Alleinvertretungsmacht könne entweder durch Vorlage des Gesellschaftsvertrags, auch in Auszügen oder durch eine Erklärung der anderen Gesellschafter über die Alleinvertretungsbefugnis des Handelnden nachgewiesen werden. Das Bundesarbeitsgericht folgt damit der Rechtsprechung des BGH, der die Möglichkeit einer solchen analogen Anwendung des § 174 BGB bereits mit einer Entscheidung vom 20.02.2014 angenommen hatte.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist die Vorlage des Nachweises der Vertretungsmacht auch dann erforderlich, wenn der alleingeschäftsführende Gesellschafter die Vertragsverhandlungen mit dem später gekündigten Mitarbeiter geführt hat sowie bei der Erteilung von Weisungen wiederholt auf seine Stellung als alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter hingewiesen hat. Der Hinweis auf die Alleingeschäftsführungsbefugnis des Gesellschafters selbst reicht für ein In-Kenntnis-Setzen nach § 174 S. 2 BGB nicht aus; ein solcher Hinweis hätte von allen Gesellschaftern als Vollmachtgebern erteilt werden müssen.

Hinweis für die Praxis: Eine GbR, die ein Arbeitsverhältnis kündigen und dabei sichergehen will, dass die Kündigung nicht nach § 174 BGB zurückgewiesen wird kann entweder das Kündigungsschreiben von allen Gesellschaftern der GbR unterschreiben lassen oder eine von allen Gesellschaftern unterschriebene Vollmachtsurkunde im Original beifügen.

Autor

Sebastian Schulte, LL.M.

Arbeitsrecht, Medizinrecht

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