Corona-Pandemie: Was im Arbeitsrecht jetzt wichtig ist
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellen sich verschiedenste arbeitsrechtliche Fragen, zu denen wir nachfolgend einen Überblick geben:
Arbeitspflicht und Pflicht zur Entgeltfortzahlung
Entgeltfortzahlung bei Erkrankung und/oder Quarantäne
Erkrankt ein Arbeitnehmer aufgrund einer Ansteckung mit dem Corona-Virus, besteht zunächst der Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Wird zugleich durch die zuständige Behörde eine Quarantäne gemäß § 30 Infektionsschutzgesetz angeordnet, ändert dies nach bisher wohl herrschender Meinung nichts am Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Ist der Arbeitnehmer nicht erkrankt und wird zugleich durch die zuständige Behörde eine Quarantäne und/oder ein berufliches Tätigkeitsverbot gemäß § 31 Infektionsschutzgesetz angeordnet, besteht ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz gegenüber dem Staat. Der Anspruch wird in den ersten 6 Wochen in der Höhe des ausgefallenen Arbeitsentgelts gewährt, ab der 7. Woche in Höhe des Krankengeldes. Für die ersten 6 Wochen wird der Anspruch durch den Arbeitgeber erfüllt, dem die Leistungen auf Antrag durch die zuständige Behörde erstattet werden. Danach übernimmt die Zahlung gegenüber dem Arbeitnehmer die zuständige Behörde auf dessen Antrag. In Nordrhein-Westfalen sind die Bezirksregierungen die zuständigen Behörden.
Achtung: Seit dem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom 22.09.2021 gilt das (spätestens ab dem 01.11.2021) nicht mehr für solche Personen, die als Kontaktpersonen oder als Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet bei einem wegen Covid-19 behördlich angeordneten Tätigkeitsverbot oder behördlich angeordneter Absonderung keinen vollständigen Impfschutz mit einem auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts gelisteten Impfstoff gegen Covid-19 vorweisen können. In diesen Fällen dürfte auch ein Anspruch nach § 616 BGB ausscheiden, weil das Unterlassen der Impfung als Verschulden im Sinne dieser Vorschrift gewertet werden dürfte.
Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impftatus
Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht ein Fragerecht des Arbeitgebers nur in besonderen Fällen (z.B. Pflegekräfte, Lehrer, Erzieher, vgl. §§ 23a, 36 Abs. 3 IfSG). Zumindest im Fall der behördlichen Anordnung einer Quarantäne wird man dem Arbeitgeber ein Fragerecht zubilligen müssen, weil er anders nicht in der Lage ist, zu klären, ob er verpflichtet ist, einen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Staat vorzufinanzieren.
Arbeitnehmer bleiben der Arbeit fern, ohne erkrankt/infiziert zu sein
Bleiben Arbeitnehmer ohne behördliche Anordnung und ohne erkrankt oder nachweisbar infiziert zu sein, der Arbeit fern, z.B. um einem Ansteckungsrisiko auf dem Weg zur Arbeit (in öffentlichen Verkehrsmitteln), entfällt der Anspruch auf Vergütung.
Bleiben Arbeitnehmer der Arbeit fern, weil sie mittelbar betroffen sind (z.B. wegen einer Schließung der Kita oder des Kindergartens und der dadurch erforderlichen Betreuung der Kinder) kann ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 616 BGB bestehen. Danach besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung (die nicht auf Arbeitsunfähigkeit beruht) für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit (in der Regel nicht mehr als 5 Tage), wenn und die Verhinderung unverschuldet ist.
Freistellung durch den Arbeitgeber
Stellt der Arbeitgeber die Arbeitnehmer ohne behördliche Anordnung – z.B. vorsorglich zur Vermeidung eines Ansteckungsrisikos – von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, verlieren die betroffenen Arbeitnehmer dadurch den Vergütungsanspruch nicht. Der Arbeitgeber befindet sich dann im sogenannten Annahmeverzug mit der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer. Diese wären allerdings verpflichtet, von zu Hause aus zu arbeiten, soweit diese technischen Voraussetzungen dafür gegeben sind.
Erfolgt die Freistellung durch den Arbeitgeber aufgrund von Auftrags- und/oder Rohstoffmangel, gilt dasselbe. Es handelt sich hier um Umstände, die grundsätzlich in das Betriebsrisiko des Arbeitgebers fallen.
Auch der Fall einer Betriebsschließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes durch die zuständige Behörde (z.B. gemäß § 16 Infektionsschutzgesetz) dürfte grundsätzlich in das Betriebsrisiko des Arbeitgebers fallen, sodass dadurch die Arbeitnehmer – wenn diesen nicht gleichzeitig ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird – ihren Vergütungsanspruch nicht verlieren. In diesem Fall steht dem Arbeitgeber ein Entschädigungsanspruch gegenüber dem Staat gemäß § 65 Infektionsschutzgesetz zu.
Anspruch auf Home Office/Anordnung von Dienstreisen
Die potentielle Gefahr, sich in den Betriebsräumen des Arbeitgebers anzustecken, führt nicht zu einem Anspruch der Arbeitnehmer, von zu Hause aus zu arbeiten.
Ohne ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag, in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung besteht nach bisheriger Rechtsprechung kein Anspruch auf Arbeit aus dem Home Office heraus (z.B. Arbeitsgericht Augsburg v. 07.05.2020 - 3 Ga9/20 -; Arbeitsgericht Siegburg v. 16.12.2020 - 4 Ga 18/20 -).
Das gilt auch nach Erlass der Corona-Arbeitsschutzverordnung.
Ob und inwieweit Arbeitnehmer die Durchführung vom Arbeitgeber angeordnete Dienstreisen verweigern dürfen, dürfte davon abhängen, ob das Reiseziel in ein Gebiet geht, für das eine ausdrückliche Reisewarnung des auswärtigen Amtes vorliegt. In dem Fall dürfte die aus dem Direktionsrecht folgende Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers nicht „billigem Ermessen“ entsprechen. Für Dienstreisen in vom Robert-Koch-Institut so bezeichnete Risikogebiete dürfte das nicht ohne weiteres gelten. Hier wird man nach dem Zweck und der Dringlichkeit/Erforderlichkeit der Dienstreise abwägen müssen.
3G am Arbeitsplatz/Home Office
Einzelheiten dazu lesen Sie hier.
Kurzarbeit und Anspruch auf Kurzarbeitergeld
Voraussetzungen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (§ 95 SGB III). Der Arbeitsausfall ist erheblich, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, vorübergehend sowie nicht vermeidbar ist und im jeweiligen Kalendermonat mindestens 10 % (bisher 1/3) der im Betrieb oder der betroffenen Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sind (§ 96 Abs. 1 SGB III).
Leistungen und Antragserfordernis
Das Kurzarbeitergeld wird i.H.v. 60 % bzw. 67 % (bei Bestehen von Unterhaltspflichten) der Nettoentgeltdifferenz gezahlt. Der Arbeitgeber bleibt zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf das gesamte Entgelt verpflichtet.
Die Gewährung von Kurzarbeitergeld bedarf eines Antrages durch den Arbeitgeber gemäß § 99 Abs. 1 SGB III. Formulare finden sich auf den Webseiten der Bundesagentur für Arbeit.
Rechtsgrundlage für die Anordnung erforderlich
Kurzarbeit kann in aller Regel nicht einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden. Es bedarf vielmehr einer Rechtsgrundlage im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag. Fehlt eine solche Rechtsgrundlage, muss mit jedem betroffenen Arbeitnehmer eine konkrete Vereinbarung über die Kurzarbeit abgeschlossen werden.
Bundestag beschließt Erleichterungen
Der Bundestag hatte am 13.03.2020 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld angenommen. Damit wird die Bundesregierung ermächtigt, für den Fall außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf,
- abweichend von § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB III den Anteil der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vom Entgeltausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 % herabzusetzen,
- abweichend von § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB III auf den Einsatz negativer Arbeitszeitsalden zur Vermeidung von Kurzarbeit vollständig oder teilweise zu verzichten,
- eine vollständige oder teilweise Erstattung der von den Arbeitgebern allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beziehen, einzuführen,
- abweichend vom bisherigen Recht auch Leiharbeitnehmern Zugang zu Kurzarbeitergeld zu gewähren.
Die Erleichterungen beim Zugang zum Kurzarbeitergeld waren ursprünglich befristet bis zum 31.12.2021, sind aber inzwischen mehrfach verlängert worden, zuletzt bis zum 30.06.2023.
Deshalb gelten aktuell folgende Besonderheiten bis zum 30.06.2023:
- Ein Betrieb kann bereits Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten in der Firma von einem Arbeitsausfall von über zehn Prozent betroffen sind. Normalerweise liegt diese Schwelle bei einem Drittel der Belegschaft.
- Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes wird weiterhin volllständig verzichtet. Vor der Pandemie galt die Regel, dass Betriebe mit Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen diese auch nutzen müssen, um Kurzarbeit zu vermeiden.
- Auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können Kurzarbeitergeld beziehen.
(Quelle: www.bmas.de)